Wider die Vereinfacher und Vereindeutiger
Von der Macht und Ohnmacht der Geisteswissenschaften in der Gegenwart
DOI:
https://doi.org/10.5283/bidw.v28i39.111Schlagworte:
Geisteswissenschaften, RedeAbstract
Wohin man derzeit auch blickt, die Vereinfacher in Politik, Wirtschaft und anderswo, die eine immer komplexer werdende Welt mit immer weniger Worten erklären, scheinen das Sagen zu haben. Überall gibt es Abschottungsbemühungen und politische Alleingänge. Gleichzeitig verroht die öffentliche Diskussion immer weiter. In einer solchen Welt haben Geisteswissenschaftler*innen eine besondere Verantwortung. Darum bemüht, die Welt in ihrer komplexen Uneindeutigkeit zu reflektieren, erforschen Geisteswissenschaftler*innen die Sinnstiftungsmechanismen von Texten im weitesten Sinne. Sie haben Präzision im Umgang mit Wörtern und Sprache gelernt und sind sensibel für die Begriffe, mit denen Wirklichkeit beschrieben und Handlungssituationen definiert werden. Vor allem aber sind sie Komplexitätsund Ambiguitätsexpert*innen, die die menschliche Existenz in ihrer ganzen, oft widersprüchlichen Kontextualität begreifen wollen. Das Beharren auf der Uneindeutigkeit der Welt und des menschlichen Lebens in ihr ist eminent politisch, weil nur autoritäre Weltsichten in Eindeutigkeitsversprechen und Homogenitätsfiktionen ankern.